Hallo, mein Name ist Klappentext. Clara Klappentext. Anders als mein Vorname es vermuten lässt, bin ich männlichen Geschlechts. Mein geistiger Vater (Mutter, wo warst du all die Jahre nach dem Mutterschaftstest?) hat einen sonderbaren Sinn für Humor. Ich war kein Wunschkind aber das Geld für eine gedankliche Abtreibung wollte Vater aus prinzipiellen Gründen nicht aufbringen. Und dieses Prinzip heißt Geiz. Er hat mich stets spüren lassen wie unzufrieden und welch eine Enttäuschung ich für ihn war. Seiner Meinung nach war und bin ich Verschwendung kognitiver Leistung, wenn auch am untersten Ende der Kreativskala.
Um vor ihm meine Existenz zu berechtigen, besuchte ich die Klappentext-Akademie in Harvard, die ich mit ausgezeichnetem Erfolg abschloss. Nach nur kurzer Zeit wurde ich der Shootingstar der Branche und zum bestgebuchten Klappentext seit der Geburt des Buchdrucks.
Doch das beeindruckte Vater nicht im Geringsten. Im Gegenteil er verachtete meinen Job, meine Berufung. Seinen Frust ließ er über Jahrzehnte an mir aus. Er strafte mich mit Gleichgültigkeit mir gegenüber und übermalte ganze Textpassage mit Tipp-Ex.
An der Flasche hängend und die Großpackung Tipp-Ex fest umklammert ertränkte er sich vor einigen Tagen in einer 3cm seichten Wasserlacke (die nach der lang andauernden Trockenzeit schwer zu finden war). Sein Abschiedsbrief war kurz gehalten aber umso ummissverständlicher: „Nur Taugenichtse werden Klappentexte. Nur Taugenichtse!“
Kannte man seinen sonstigen Umgangston, konnte man diese Zeilen als eine Art Versöhnung, ja, sogar als Entschuldigung deuten. Vater dieser Zeilen, ich verzeihe dir.
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